A HOUSE TO LIVE
A PLACE TO LEARN

Wir sind in der Stadt Oświęcim, um uns an Auschwitz zu erinnern. Um zu überzeugen, dass wir aus der Vergangenheit lernen müssen. Wir zeigen, dass Oświęcim ein Ort der Begegnung, der Versöhnung und der Verständigung sein kann. Wir sind in der Stadt Oświęcim, damit Auschwitz sich nicht wiederholt.

Geschichte und Menschenrechte

Deutsch-polnisch-belarussisches Seminar für Studenten*innen - Zusammenfassung

An dem deutsch-polnisch-belarussischen Seminar „Geschichte und Menschenrechte“ (12.-18.10.2023) nahmen 25 Student*innen teil. Sie repräsentieren: Katedra Studiów Interkulturowych Europy Środkowo-Wschodniej, Uniwersytet Warszawski/Polen,
European Humanities University - Belarussische Universität im Exil/Litauen und die Universitäten in Bremen und Greifswald/Deutschland.

Ausgangspunkt für den gemeinsamen Dialog waren der historische Ort Auschwitz und seine heutigen Auswirkungen auf die Erinnerungskultur, die Meinungsfreiheit und die Kunst, die wir aus verschiedenen nationalen Perspektiven - polnisch, belarussisch und deutsch - betrachteten. Das Seminar begann mit Workshops zu den Fragen: Welche Rolle spielt das Thema Zweiter Weltkrieg, Holocaust und Auschwitz im Familiengedächtnis und welchen Platz nimmt es in unseren nationalen Erinnerungsnarrativen ein? Vor dem Besuch der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau hörten die Teilnehmer*innen einen Vortrag zum Thema. „Genese von Auschwitz“, gehalten von Dr. Piotr Setkiewicz (Forschungszentrum des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau). Anschließend besuchten sie unter der Leitung von Museumsguides in kleinen nationalen Gruppen das Gelände des ehemaligen deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau.

Die Auswertungsrunden nach dem Gedenkstättenbesuch wurden von studentischen Präsentationen begleitet. Die deutsche Gruppe gab zur Diskussion das Schlagwort „Nie wieder“ und seine Rezeption in der deutschen Kultur und Erinnerungspolitik. Die belarussische Gruppe befasste sich kritisch mit dem Gedenken an den 9. Mai 1945, der in der belarussischen staatlichen Erinnerungskultur als „Tag des Sieges“ bezeichnet wird, und mit dem am 5. Januar 2022 verabschiedeten Gesetz „Über den Völkermord am belarussischen Volk“. Damit wurde das Strafgesetzbuch der Republik Belarus um den Artikel 130-2 über die Leugnung des Völkermordes am belarussischen Volk ergänzt. Die Student*innen untersuchten die umstrittene Umsetzung dieses Gesetzes am Beispiel der offiziellen Geschichtsdarstellung in der nationalen Gedenkstätte Chatyń. Das Dorf Chatyń wurde am 22. März 1943 vom deutschen SS-Sonderkommando Dirlewanger und dem 118. Bataillon der Schutzmannschaft mitsamt seiner Bewohner niedergebrannt als Vergeltung für einen Angriff auf eine deutsche Autokolonne 6 km von Chatyń entfernt, die Ermordung des Schutzpolizei-Hauptmanns Hans Wölke und Partisanenaktivitäten. Die polnische Gruppe diskutierte die historische Symbolik des Palastes der Kultur und Wissenschaft in Warschau und die gegenwärtige Debatte über den Prozess der Entkommunisierung der Erinnerungskultur in Polen.

Besonderes Augenmerk wurde während des Seminars auf die aktuelle Situation in Belarus und die Verletzungen der Bürger- und Menschenrechte in diesem Land gelegt. Die belarussischen Student*innen lieferten konkrete Beispiele für die Einschränkung der Meinungsfreiheit im Bereich der Kultur. In einem Gespräch mit Professor Aleksander Wirpsza (Universität Warschau), das sich auf seine persönlichen Erfahrungen und Entscheidungen bezog, erörterten wir die Rolle und die Methoden des Protests in einem autoritären Staat und in einer Demokratie. Ab 1968 engagierte sich Professor Wirpsza unter dem literarischen Pseudonym Leszek Szaruga gegen den Kommunismus und griff dabei zum „Wort“ - als Waffe zur kritischen Beobachtung der umgebenden Wirklichkeit und zur Dekonstruktion der Propagandasprache. Von 1987 bis 1990 lebte er in West-Berlin, wo er mit den polnischen Sektionen der BBC und der Deutschen Welle sowie mit Emigrantenzeitschriften zusammenarbeitete. Das Treffen war eine Unterstützung und Inspiration vor allem für unsere belarussischen Teilnehmer*innen, die aufgrund der politischen Situation in Belarus beschlossen haben, im Rahmen ihres Studiums an der European Humanities University - Belarussische Universität im Exil in Litauen zu leben und zu studieren.

Die Seminargruppe verbrachte zwei Tage des Programms in Krakau. Die Student*innen besichtigten Krakau und nahmen an einer Kuratorenführung im MOCAK-Museum für zeitgenössische Kunst sowie an einem Vortrag über die Repräsentationen von Auschwitz und dem Holocaust in der zeitgenössischen Kunst teil, der von Dr. Delfina Jałowik, Kuratorin und Leiterin der Abteilung für Ausstellungsorganisation, gehalten wurde.

Wir hoffen, dass das Seminar den Teilnehmer*innen viel Wissen vermittelt und sie motiviert hat, in ihrem eigenen Umfeld Projekte, Kampagnen und Aktionen zu initiieren, um auf die Situation der Verletzung von Bürger- und Menschenrechten in Belarus aufmerksam zu machen.

Koordination und Seminarleitung: Elżbieta Pasternak (IJBS Oświęcim/Auschwitz), prof. dr hab. Joanna Getka (Katedra Studiów Interkulturowych Europy Środkowo-Wschodniej, Uniwersytet Warszawski/Polen,), Dr. Stsiapan Stureika (European Humanities University - Belarussische Universität im Exil/Litauen, Dr. Iryna Kashtalian (Institut für Europastudien, Universität Bremen)

Das Seminar ist aus den Mitteln des Deutsch-Polnischen Jugendwerks (DPJW) im Rahmen des Förderprogramms „Wege zur Erinnerung” und des Fördervereins für die IJBS Oświęcim/Auschwitz finanziert.

 

Reflexionen der Teilnehmer*innen:

Einerseits habe ich vorher noch nicht die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau besucht, was eine sehr eindrückliche Erfahrung war. Dabei ist mir vor allem ein großer Unterschied zwischen dem Besuch des ehemaligen Stammlager Auschwitz I und des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz II - Birkenau aufgefallen. Insbesondere, der Umstand, dass wir vormittags fast alleine auf dem unglaublich großen Gelände von Birkenau unterwegs waren, hat eine Atmosphäre geschaffen, um den Ort besonders stark auf sich wirken zu lassen. Da wir die Führungen in drei verschiedenen Gruppen durchgeführt haben, habe ich die Möglichkeit sich im Nachhinein in größerer Runde auszutauschen sehr geschätzt (…). Ebenso lehrreich war für mich der Austausch über Erinnerungskultur an den Holocaust bzw. Zweiten Weltkrieg in Deutschland, Polen und Belarus. Dabei waren die Perspektiven aus Belarus vermutlich vor allem für die deutschen Teilnehmenden wertvoll, da diese sonst nur wenig behandelt werden. Gerade aus diesem Grund ist dieser un-hierarchische Kontakt zwischen jungen Menschen, wie ihn das Seminar ermöglicht hat, wichtig. Gleichzeitig ist bei diesem Austausch über unsere geteilte Geschichte und den Umgang mit dieser ein gewisses Konfliktpotenzial aufgefallen. Für mich persönlich handelte es sich dabei beispielsweise um Momente, etwa wenn sich die deutschen Teilnehmenden fragten, warum in einigen Gesprächen die Wörter „Nazis“ und „Germans“ als Synonyme verwendet wurden (…) oder wenn es fast so wirkte, dass es den Teilnehmenden aus Polen ein größeres Anliegen wäre, dass in Belarus die belarussische Sprache statt der russischen Sprache gesprochen wird, als den Teilnehmenden aus Belarus selbst. (…) Dieses „Konfliktpotenzial“ zeigt in meinen Augen, wie stark wir auch als junge Generation durch die historische Erfahrung unserer Herkunftsländer geprägt sind. Gerade aus dieser Hinsicht, bin ich sehr dankbar, an dem Seminar teilgenommen zu haben und fühle mich bereichert, nicht nur aus Erkenntnisgewinn, sondern auch, weil gerade diese „kleineren Unstimmigkeiten“ für mich zeigten, von welcher Relevanz ein ehrlicher Austausch über unsere Geschichte in Osteuropa weiterhin ist.

Insgesamt gab mir das Seminar also zahlreiche Einblicke und Denkanstöße auf die Geschichte im östlichen Europa, aber auch auf aktuelle Entwicklungen und vor allem die Beziehung zwischen jungen Menschen aus Deutschland, Polen und Belarus. Den Kontakt mit den anderen Teilnehmenden habe ich wirklich sehr geschätzt, und hoffe, diesen aufrecht zu erhalten, um weiterhin im Austausch zu bleiben.

 

Anika

 

Für mich war immer klar, dass ich eines Tages einmal nach Auschwitz fahren möchte, da ich es als Deutsche einerseits als Pflicht ansehe und es sehr wichtig finde, sich mit der Vergangenheit des eigenen Landes auseinander zu setzen. Sich mit den Fehlern und schrecklichen Taten unserer Vorfahren zu beschäftigen und davon zu lernen. Ich bin sehr froh, dass ich die Chance hatte dieses Seminar zu besuchen und mich in diesem Rahmen mit dem Holocaust zu beschäftigen und Auschwitz zu besuchen. Ich habe sehr viel dazu gelernt, zum einen zum Holocaust aber vor allem auch über Belarus und Polen. Ich muss leider zugeben, dass ich zum Beispiel vorher nicht allzu viel über Belarus wusste, weshalb diese Möglichkeit mit anderen jungen Menschen aus anderen Ländern sich austauschen zu können und zu diskutieren sehr bereichernd und wertvoll für mich war. Ich denke solche internationalen Seminare sind sehr wichtig zum einen für die eigene Meinungsbildung und zum Verständnis für andere Perspektiven und Standpunkte. (...)

 

       Dorothea


Besonders hat es mich beeindruckt und teilweise berührt von den Erfahrungen der Belarussen zu hören. Das wäre auch das, was ich hauptsächlich aus dem Seminar mitgenommen habe: Die positive Zusammenarbeit und den Austausch mit den Polen und Belarussen. Außerdem waren die beiden Tage im ehemaligen Stammlager Auschwitz I sowie im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz II-Birkenau sehr eindrucksvoll. Ich konnte einige Bilder aus den Lagern mitnehmen, die nicht vergleichbar sind mit den, die man nur in Geschichtsbüchern sieht - die Erfahrung war kurz gesagt persönlicher. (…) Das Meiste Neue habe ich durch den Austausch mit den Polen und Belarussen gelernt. So wurde mir hier erst bewusst, wie tief noch der Schmerz in vielen Pol*innen wegen des Krieges und des Holocausts ist und was das mit den deutsch-polnischen Beziehungen in Polen macht. Außerdem habe ich sehr viel Neues über das politische System in Belarus gelernt, über die Propagandamittel der Regierung, Widerstandsbewegungen und wie die Polizei auch nur Ansätze des Widerstands unterdrückt. Neu und interessant war es auch Polen (für mich) erstmals von Nahem und persönlich zu sehen und kennenzulernen und so auch ein paar Stereotypen, die ich hatte, beseitigen zu können. (...)

Janka
 

Die Teilnahme an dem Seminar hat mich dazu gebracht, ernsthaft über die Erinnerungskultur nachzudenken und darüber, wie unterschiedlich sie sein kann, je nachdem, woher wir kommen und wo wir leben. Der Besuch des ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau machte mir eindringlich bewusst, wie wichtig es ist, die Erinnerung an diese Ereignisse zu pflegen und das Vergangene nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Sowohl das Treffen mit unseren Kolleg*innen aus Belarus als auch das Gespräch mit Professor Aleksander Wirpsza haben mir gezeigt, wie wichtig die Rolle von Protest und Rebellion ist, besonders wenn man in einem autoritären Staat lebt.

                                                                                                                      Zuzanna

 

Vor dem Seminar hatte ich mir vorgenommen, mehr über Auschwitz und seine Geschichte zu erfahren, mit Menschen zu sprechen, die dort arbeiten, und zu lernen, wie Menschen aus verschiedenen Ländern (Deutschland, Polen, Belarus) über dieses Thema denken. Ich habe mein Ziel erreicht und es war wirklich interessant für mich zu erkennen, wie unterschiedlich wir und unsere Gedanken sind und wie die Gegenwart unserer Länder von ihrer Vergangenheit abhängt. Ich habe viele Überlegungen und Gedanken über die moderne Welt mitgenommen: Ich konnte nicht aufhören, über diese grausame Geschichte nachzudenken, die sich heute wiederholt, und darüber, was ich und andere tun können, um sie zu stoppen, wie wir unsere Welt besser machen können. Ich schätze, das ist eine Frage, auf die es keine eindeutige Antwort gibt, aber ich bin froh, dass ich die Möglichkeit hatte, darüber nachzudenken und betrachte diese Überlegungen als eine große Entwicklung, die ich während dieses Seminars erleben durfte.

                                                                                                                     Adriana

 

Für mich war das gesamte Seminar eine unvergessliche Erfahrung, die mir definitiv für immer in Erinnerung bleiben wird. Während dieses Seminars lernte ich einige historische Fakten kennen und hatte eine wunderbare und interessante Diskussion über Menschenrechte mit Student*innen aus Belarus und Deutschland, ganz zu schweigen davon, dass ich mich mit einigen von ihnen anfreunden konnte. Ich bin froh, dass ich die Gelegenheit hatte, an diesem Seminar teilzunehmen.
 

Konstanty

 

Zunächst einmal sind das viele neue Erkenntnisse für mich. Ich habe einen sehr wichtigen Teil der Weltgeschichte kennengelernt, der meine Sicht auf die Welt auf den Kopf gestellt hat. Es war interessant für mich, die Geschichte der Vergangenheit zu analysieren, die Welt, in der ich lebe. Ich bin sehr dankbar für den herzlichen Empfang und die professionelle Herangehensweise, die mir und den Student*innen, die an diesem Seminar teilgenommen haben, vermittelt wurden.

                                                                                                                                        Kateryna

 

Das Seminar hat es mir ermöglicht, den Holocaust aus einer breiteren Perspektive zu betrachten, als ich es je zuvor konnte. Ich konnte mit Menschen anderer Nationalitäten über meine Gedanken sprechen und wir konnten unsere Gedanken in einer sicheren Umgebung teilen. Der Gedanke, das Auschwitz-Museum zu besuchen, hat mich immer eingeschüchtert, und ich bin froh, dass ich während des Seminars dorthin gegangen bin, denn so hatte ich die Möglichkeit, meine Emotionen unter Gleichgesinnten zu verarbeiten, die mit ähnlichen Gefühlen wie ich zu kämpfen hatten. Ich verließ das Seminar mit mehr Wissen nicht nur über die Vergangenheit, sondern auch über die aktuellen Probleme in Belarus und Deutschland, und deshalb betrachte ich die dort verbrachte Zeit als sehr wichtig.

                                                                                                                                              Anna

 

Die politische Situation in Belarus macht jede Interaktion fast unmöglich, so dass es ein Wunder war, zu diesem Seminar zu kommen. Die Diskussion zwischen jungen Menschen und Experten über die Erinnerungspolitik der Polen und Deutschen wäre ohne die Anwesenheit des belarussischen Teams nicht so vollständig gewesen, weil wir so unterschiedliche Ansätze vergleichen konnten. Es war das erste Mal, dass ich an einer Veranstaltung über Krieg, Holocaust und Trauma teilgenommen habe, bei der es eine absolut transparente und ehrliche Reflexion gab. Der Besuch in Auschwitz-Birkenau erfolgte schrittweise, nachdem ich zwei Tage lang theoretisches Material über den Ort gesammelt hatte, sind mir die Gedanken an die Gedenkstätte immer noch im Gedächtnis geblieben. Ich danke für die ausgezeichnete Organisation und das reichhaltige und interessante Programm, das auch einen Besuch in Krakau einschloss. Diese Reise hat mich definitiv um neue Kenntnisse, Eindrücke und Bekanntschaften bereichert.

Viktoryia

Es war äußerst interessant, die Erinnerungspolitik in Deutschland, Polen und Belarus sowohl auf staatlicher als auch auf familiärer und sogar individueller Ebene zu vergleichen.
Es war sehr wichtig, die Einstellung der Nachkommen des Aggressors zu den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs und die Kommunikation zwischen den Nachkommen des Aggressors und der Opfer selbst zu erleben. Das könnte in Zukunft für die Belarussen nützlich sein, um die Folgen des Krieges in der Ukraine zu überwinden. Die Belarussen denken oft, dass sie am meisten vom Zweiten Weltkrieg betroffen waren. Über die Tragödie der Polen wurde in der Öffentlichkeit nie gesprochen oder sie gar erwähnt. Deshalb war es für mich wichtig, Auschwitz und Birkenau zu besuchen, wo neben dem Thema Holocaust auch das Thema der Ausrottung des polnischen Volkes in allen Einzelheiten offengelegt wurde.

 

Vitaliya

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