A HOUSE TO LIVE
A PLACE TO LEARN

Wir sind in der Stadt Oświęcim, um uns an Auschwitz zu erinnern. Um zu überzeugen, dass wir aus der Vergangenheit lernen müssen. Wir zeigen, dass Oświęcim ein Ort der Begegnung, der Versöhnung und der Verständigung sein kann. Wir sind in der Stadt Oświęcim, damit Auschwitz sich nicht wiederholt.

2049 Briefe für Staszek

100. Jahrestag der Geburt von Stanisław Hantz, Häftling von Auschwitz, Groß Rosen, Hersbruck, Dachau

Die IJBS war ein besonderer Ort für Stanisław Hantz. Hier konnte er vor allem deutschen und polnischen Jugendlichen erzählen, was die Deutschen ihm viele Jahre zuvor angetan hatten. Für Staszek war die IJBS ein Raum der Verständigung und Versöhnung, auch seiner Versöhnung mit sich selbst.

Am 22. Januar 2023 wäre Stanislaw Hantz 100 Jahre alt geworden. Auf Initiative des Bildungswerks Stanislaw Hantz e.V. und der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim haben wir eine Veranstaltung zum Gedenken an das Leben und Wirken von Staszek vorbereitet. Die Ehrengäste der Veranstaltung waren seine Familie, darunter seine Töchter Krystyna Jaros und Wanda Szumlaska. Die Gäste wurden von der Direktorin der IJBS, Joanna Klęczar-Déodat, und Kamil Jaros, Stanisławs Enkel, begrüßt, der im Namen der Familie persönliche, sehr bewegende Erinnerungen an den Großvater teilte.

„Die Schuhe, an die ich gestern erinnert wurde, als wir den Film mit Großvaters Erinnerungen ansahen. [...] Wir wussten, dass Opa sich in der Qualität der Dinge auskennt. Als ich mich auf meinen Schulabschluss vorbereitete, war es für mich selbstverständlich, dass ich mir für meinen Abschlussball gute Schuhe kaufen sollte. Für mich war es selbstverständlich, mit Opa in den Laden zu gehen. Gestern, als ich den Film [mit Erinnerungen] gesehen habe, habe ich gemerkt, wie wichtig ihm die Schuhe waren und dass er auf alle Dinge achtete”.

Anschließend wurde die Stanislaw Hantz gewidmete Ausstellung eröffnet. Die Gäste wurden von Maarten Tomforde und Karin Graf vom Bildungswerk Stanislaw Hantz durch die Ausstellung geführt. Wir hörten gemeinsam den Stanislaw gewidmeten Musikstücken von Roland Vossebrecker und seinem Lieblingslied „Amazing Grace“, gesungen von Jörg Lorey, zu. Wir gedachten auch seines 100. Geburtstages mit einer Begegnung im Garten der IJBS bei Staszeks Lieblingsapfelbaum, der goldenen Renelette, die 2013 zu seinem Gedenken in der IJBS gepflanzt wurde. Im Jahr 2023 wird dank der Initiative und Unterstützung von Borussia Dortmund und der BVB-Stiftung ein neues Mehrzweckspielfeld im Garten der IJBS errichtet. Gemeinsam mit Vertretern unserer Partner haben wir es nach Stanislaw Hantz benannt, für den der Sport immer eine besondere Bedeutung hatte.

„Wir haben beschlossen, das Spielfeld nach Stanislaw Hantz zu benennen. Wir haben uns für eine Person entschieden, die einen konkreten Bezug zu der IJBS hat, aber wir wissen auch, dass Fußball für Staszek immer von großer Bedeutung war, er hat immer gerne über Fußball gesprochen. Wir haben auch besonders die Rolle des Fußballs im Lager im Blick - es war kein so „romantisches“ Fußballspiel, wie wir es uns heute vorstellen.“ - sagte Daniel Lörcher vom BVB.

Wir erinnerten uns an seine Lager-Geschichte. Wir besuchten die „Alte Judenrampe“, einen Ort, den Staszek und sein Kommando der Zimmerei bauen mussten und an dem er die Selektion der an der Rampe ankommenden Judentransporte miterlebte, ein Ort, an den er seit vielen Jahren erinnern wollte. Seine Lagererfahrungen wurden in dem Buch „Zitronen aus Kanada“ von Karin Graf aufgezeichnet. Im Rahmen des Projekts haben Schüler*innen des Stanisław-Konarski-Gymnasiums Nr. 1 in Oświęcim, an dem Staszek seinen Abschluss gemacht hat, kurze Dokumentarfilme mit seinen Erinnerungen gedreht. Für die Jugendlichen, die an dem Projekt teilnahmen, war die wertvollste Erfahrung das Gespräch mit Staszeks Enkel, Kamil Jaros und der Autorin des Buches über Staszek, Karin Graf.

Stanisław Hantz erhielt in Auschwitz die Nummer 2049. Anlässlich des 100. Jahrestages seiner Geburt haben wir die Aktion „2049 Briefe für Staszek“ gestartet. Das ganze Jahr über - bis zum 22. Januar 2024 - möchten wir 2049 Briefe für Stanislaw Hantz sammeln. Wir bitten alle Menschen, die Stanisław Hantz und anderen Häftlingen und Opfern von Auschwitz etwas sagen möchte, einen Brief zu schreiben. Wir werden die Briefe im Jahr 2024 veröffentlichen.

Wir laden Sie ein, sich unserer Aktion anzuschließen und einen Brief für Staszek an die IJBS zu schicken.

 

Nummer 2049

Stanislaw Hantz, meist liebevoll Staszek genannt, wurde im August 1940 von den Nazis aus Warschau nach Auschwitz verschleppt. Zu diesem Zeitpunkt war er 17 Jahre alt. Fortan war er nur noch die Nummer 2049, sie wurde auf seinen Unterarm tätowiert. Der Verlust seines Namens hat ihn schwer getroffen. Staszek war 35 Monate im sogenannten Stammlager und 16 Monate in Auschwitz II-Birkenau eingesperrt. Er arbeitete u.a. beim Kommando Landwirtschaft und in der Zimmerei. Letzteres vor allem zu seinem Glück: er arbeitete unter Dach und mit einem guten Oberkapo. In Auschwitz verlor er Freunde, erfuhr Verrat, er war schrecklichen Strafen ausgesetzt, er musste 53 Tage im Lagergefängnis ausharren. Schon sehr früh erfuhr er vom massenhaften Mord an Juden. Er war Zeuge der ankommenden Transporte der Jüdinnen und Juden und sah die Kolonnen der Todgeweihten in Richtung Krematorien ziehen. Frauen, Kinder, Männer, die keinerlei Zukunft hatten. Er war von Tod umgeben und musste lernen, damit zu leben. „Saß der immer neben mir“, sagte er und klopfte einladend auf den Platz neben sich. Ende 1944 wurde er mit seinem Kommando Zimmerei gen Westen verlegt, letztlich landete er im Konzentrationslager Dachau, wo er von der Rainbow-Division der US-Armee befreit wurde.

Im April 1945, knapp fünf Jahre nach seiner Verschleppung nach Auschwitz, war Staszek wieder ein freier Mann. Krank, sichtlich gealtert und ergraut. Er machte sich im August 1945 auf den Weg zurück ins zerstörte Warschau. Staszek holte seine Ausbildung nach. Anfang der 50er Jahre heiratete er Regina Zerkowska, sie bekamen zwei Töchter. Er arbeitete lange Zeit in einer großen Braunkohlegrube bei Zgorzelec, zuletzt als Personalchef. Nach seiner Pensionierung gründete Staszek 1982 den Club der ehemaligen Häftlinge deutscher Konzentrationslager in Zgorzelec. Bis zu seinem Tode war er nicht nur der Präsident, sondern auch die Seele des Clubs. Die Erinnerung an Auschwitz hatte Staszek nie verlassen. Sie war für ihn allgegenwärtig und bestimmte sein ganzes Leben. Staszek verstarb Jahr 2008 im Alter von 85 Jahren.

 

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