Marian-Turski-Platz
Auf dem Gelände der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in der polnischen Stadt Oswiecim/Auschwitz ist auf Vorschlag des Internationalen Auschwitz Komitees der Platz vor dem Gerhard Richter Ausstellungshaus nach dem am 18. Februar 2025 im Alter von 98 Jahren verstorbenen Auschwitz-Überlebenden und Präsidenten des Internationalen Auschwitz Komitees Marian Turski benannt worden.
Turski, weltweit gehörter jüdisch-polnischer Zeitzeuge der Shoah und internationale Autorität, hatte noch wenige Wochen vor seinem Tod anläßlich des 80. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz am 27. Januar 2025 in der Gedenkstätte Auschwitz eine der zentralen Gedenkreden gehalten und die aus aller Welt versammelten Staatschefs und Gäste im Namen der Überlebenden mit den Worten begrüßt: "Wir, die Überlebenden, waren doch immer eine winzige Minderheit. Wir, die wir damals die Selektionen überstanden haben, waren nur sehr wenige. Und diejenigen, die wieder die Freiheit erleben konnten, das war doch wirklich nur eine Handvoll von uns. Und jetzt sind nur noch ganz wenige von uns geblieben." Und Turski fuhr fort: "Und deshalb denke ich, dass wir in diesen Minuten der großen Mehrheit gedenken müssen, der Millionen Opfer, die uns niemals sagen werden, was sie erlebt und gefühlt haben, weil sie vernichtet wurden." Vor den in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau versammelten Gästen und vor der Welt formulierte Marian Turski dann die Worte, die zu einer seiner wichtigsten Botschaften geworden sind: "Durch die 2000 Jahre, die unsere Zivilisation besteht, begleiten uns auch die vier Reiter der Apokalypse, der Krieg, die Seuche, der Hunger und der Tod. Die Menschen sind von Furcht überwältigt, sie fühlen sich gelähmt, vollständig hilflos. Was soll man tun? Ich möchte Ihnen an dieser Stelle einen Satz zitieren, dessen Autor Rabbi Nachman aus Bratzlaw gewesen ist. Er ist 1810 in Uman in der Ukraine gestorben und es war sein Wunsch zwischen den Gräbern der Opfer eines Pogroms bestattet zu werden. Der Satz des Rabbis lautet: “Die ganze Welt gleicht einer sehr schmalen Brücke - doch das Wichtigste ist es, sich nicht zu fürchten!” "Sich nicht zu fürchten" - Marian Turskis bleibendes Vermächtnis, das auch über dieser Namensgebung und der Erinnerung an ihn stand und steht.
Der Maler Gerhard Richter begrüßte die Namensgebung: "Besonders berührt hat mich bei der Begegnung mit Marian Turski, wie er meine Birkenau-Bilder gesehen, gelesen und verstanden hat. Auch, was es ihm bedeutete, dass meine Bilder den Blick auf die heimlich in Birkenau aufgenommenen Fotografien von Alberto Errera und den unglaublichen Mut dieses Mannes und seiner Mithäftlinge lenken und dass all diese Bilder bald in einer Ausstellung in Oswiecim/Auschwitz zu sehen sein würden. Es ist für meine Frau und mich ein großes Glück, dass aus dieser Zusammenarbeit mit Marian Turski und Christoph Heubner das Ausstellungshaus Gerhard Richter entstanden ist und das nun in Erinnerung an den wunderbaren Menschen Marian Turski der Platz vor dem Ausstellungshaus seinen Namen tragen wird: Gegen das Vergessen und in der Hoffnung, dass Menschen doch aus der Geschichte lernen können!"
In der Anwesenheit zahlreicher Gäste aus Polen und Deutschland wurde das Namensschild von Marian Turskis Tochter Joanna Turska und dem Stadtpräsidenten der Stadt Oswiecim Janusz Chwierut enthüllt. Leider wurde die Zeremonie von einem bedauerlichen Zwischenfall überschattet, als die versammelten Gäste aus einem vorbeifahrenden Auto mit antisemitischen Schmähungen angebrüllt wurden. Der Marian Turski-Platz vor dem Gerhard Richter Ausstellungshaus in Oswiecim ist das erste Erinnerungszeichen an Marian Turski in seiner polnischen Heimat und in der Welt.