#StolenMemory
Deutsch-polnisch-ukrainisches Seminar für Jugendliche
Vom 9. bis 14. Juni 2025 fand in Łańcut und Oświęcim ein polnisch-deutsch-ukrainisches Seminar für zukünftige Freiwillige der Kampagne #StolenMemory der Arolsen Archives statt.
Ziel der Kampagne ist es, die Familien der Opfer deutscher NS-Konzentrationslager zu finden und ihnen die in den Archiven aufbewahrten Hinterlassenschaften ihrer Angehörigen zurückzugeben. Die zukünftigen Freiwilligen der Kampagne diskutierten gemeinsam über Suchstrategien sowie Dokumentationen und lernten voneinander. Die Teilnehmer*innen waren junge Menschen, die Schulen vertraten: Oberschule Nr. 53 in Kiew/Ukraine, von Saldern-Gymnasium Europaschule in Brandenburg an der Havel/Deutschland und H. Sienkiewicz-Oberschule Nr. 1 in Łańcut/Polen. In Łańcut lernten die Seminarteilnehmer*innen die polnisch-jüdische Geschichte der Stadt und das Schicksal des Auschwitz-Überlebenden Tadeusz Szymański (Häftlingsnummer 20034), Absolvent der hiesigen Oberschule, Verfechter der polnisch-deutschen Aussöhnung und Mitbegründer der IJBS in Oświęcim/Auschwitz kennen. Sie besuchten u.a. Orte, die mit Tadeusz in Verbindung stehen und hörten den Erinnerungen seiner Enkelin Joanna Barcik zu. In Vorbereitung auf den Besuch der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau besuchte die Gruppe das Museum namens Familie Ulm zum Gedenken an Polen, die während des Zweiten Weltkriegs in Markowa Jud*innen retteten. Während des Programms in der IJBS Oświęcim/Auschwitz lernten die Teilnehmer*innen die Geschichte des KL Auschwitz und der Stadt Oświęcim kennen. In Workshops mit den Referentinnen der Arolsen Archives, Anna Meier-Osiński und Elisabeth Schwabauer, lernten die Seminarteilnehmer*innen die Ressourcen des Archivs kennen, erfuhren, wie ausgewählte Dokumente zu interpretieren sind, und lernten die Grundsätze der Kampagne #StolenMemory kennen. Besondere Aufmerksamkeit schenkten wir den Berichten junger Menschen aus Kiew, die uns ihre Erfahrungen aus dem täglichen Leben angesichts des Krieges mit Russland mitteilten.
Mit Unterstützung von Experten*innen der Arolsen Archives und der IJBS Oświęcim/Auschwitz begaben sich die Gruppen auf die Suche nach den Familien der drei ausgewählten Held*innen der Kampagne #StolenMemory, von denen heute noch Depots, sogenannte „Effekte“, erhalten sind:
Danuta Czapska/Czepska - geboren am 02.02.1923 in Warschau, Tochter von Marian und Weronika. Im Alter von 21 Jahren wurde sie in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück geschickt. Sie kam dort am 4. September 1944 mit einem Transport aus Warschau an. Im Lager erhielt sie die Nummer 64149 und wurde in die Kategorie der politischen Häftlinge eingeteilt. Auf ihrer Häftlingskarte, die bei der Registrierung im Lager ausgestellt wurde, steht: Familienstand: verheiratet, Anzahl der Kinder: 1, Staatsangehörigkeit: polnisch; Beruf: Hausfrau. Am 21.09.1944 wurde sie in das KL Neuengamme verlegt. Hier erhielt sie eine neue Nummer: 7114, Kategorie: Schutzhaft. Am Ende des Krieges wurde sie dank der Bemühungen des schwedischen Diplomaten, Graf Folke Bernadotte, aus dem Lager gerettet und nach Schweden gebracht. In ihrem Antrag beim ITS im Jahr 1985 gab Frau Danuta an, dass ihr Mädchenname TYBURSKA und ihr Nachname Czapska nach ihrem ersten Ehemann war. Zum Zeitpunkt der Antragstellung hieß sie Grabowska und wohnte in Mysiadło, 5 m. Goździków St. 1, während die Korrespondenz an eine Adresse in Warschau, ul. Natolińska 3 m. 67 zu richten war.
Ein Ring wartet darauf, zurückgegeben zu werden:
https://digitalcollections.its-arolsen.org/01020903/name/thumbview/192158/210234
Nikolai Tischtschuk - ist am 13.05.1916 in Kiew geboren. Aus den Dokumenten geht nicht hervor, wann er zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert wurde oder ob er ein Kriegsgefangener war. In der Stadt Wilhelmshaven, wo Nikolai Zwangsarbeit leisten musste, waren mehrere Lager, in denen sowjetische Kriegsgefangenen und Zivilpersonen in den Rüstungsbetrieben und den Werften der deutschen Kriegsmarine eingesetzt waren oder zur Beseitigung von Schäden herangezogen wurden, die infolge der Bombardierungen entstanden. Am 02.02.1943 war Nikolai Tischtschuk laut einer Namensliste, auf der Informationen über Ausländer*innen aus dem Gesundheitsbereich des Kreises Wilhelmshaven vermerkt sind, als Drechsler in einem Betrieb tätig. Sein Name ist auch auf der Liste der Reichsbetriebskrankenkasse, die nach Kriegsende ausgestellt war, zu finden.
Wann Nikolai in das Konzentrationslager Neuengamme gebracht wurde, ist in den Dokumenten nicht ersichtlich. Er wurde im KL Neuengamme mit der Häftlingsnummer 42630 registriert. Laut Nachforschungen über die Ausgabe von Nummernserien im KL Neuengamme, wurde die Häftlingsnummer 42630 am 12.August 1944 vergeben. Dort wurde ihm der Ring, den er bei sich hatte oder trug, abgenommen. Es gibt keine Informationen über sein weiteres Schicksal.
Ein Ring wartet auf die Rückgabe:
1.2.9.3 Effekten aus dem KZ Neuengamme / TISCHTSCHUK, NIKOLAJ [1-3]
Leon Laufer - geb. 4.6.1900 in Magdeburg. Der Kaufmann Leon Laufer war in den Jahren 1926/27 als „Telefonhändler“ für Getreide in der Firma H.S. Kramer in Bremen tätig. Vom 1.6.1930 bis zum 31.12.1932 arbeitete er anschließend für die Getreidehandelsfirma Meyer & Wiechmann. Am 11.9.1925 hatte Leon Laufer in erster Ehe die Verkäuferin Irma Henriette Hirschberg, geb. 22.10.1899 in Barsinghausen, in Bremen geheiratet. Seine Frau war ursprünglich eine polnische Jüdin, die später als staatenlos galt. Am 14.7.1926 wurde die Tochter Ilse geboren. Doch schon bald nach ihrer Geburt trennten sich die Eheleute. Am 30.7.1932 wurde die Scheidung rechtskräftig. Leon Laufers geschiedene Ehefrau wohnte in der Folgezeit bei seinem Schwiegervater in der Faulenstraße 6/8 bzw. im Warnkengang 9 bei seiner Schwiegermutter. Sie wurde deportiert. Am 18.3.1942 starb sie im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Leon Laufers Tochter zog am 11.4.1937 nach Hamburg und von dort offenbar nach Berlin. Am 14.4.1942 wurde sie von Berlin nach Warschau deportiert. Dort verliert sich ihre Spur. Sie wurde am 14.8.1951 für tot erklärt. Am 24.5.1933 heiratete Leon Laufer in zweiter Ehe in Blumenthal die nichtjüdische Verkäuferin Marie Rebekka Huth, geb. 26.5.1908 in Rekum, Bez. Blumenthal. Ihre Tochter Hannelore Jeanette wurde am 24.10.1933 geboren. Seit Oktober 1933 war Leon Laufer bereits in Bremen gemeldet, ab Mai 1934 wohnte nun die ganze Familie hier in der Kleinen Meinkenstraße 1. Von März 1939 bis September 1943 war Leon Laufer als Lagerist und kaufmännischer Angestellter bei verschiedenen Firmen beschäftigt. Am 6.9.1944 wurde er von der Gestapo verhaftet, weil er als Jude in einem öffentlichen Luftschutzbunker gesessen und damit einem „Arier“ den Platz weggenommen habe. Er wurde noch am selben Tag in das Arbeitserziehunslager Farge überstellt. Leon Laufer wurde am 22.12.1944 in das KL Neuengamme überstellt, wo sich seine Spur verliert. Er wurde am 8.9.1948 für tot erklärt.
Verfasserin:
Barbara Ebeling
Informationsquellen:
Staatsarchiv Bremen, Akte 4,54-E996
Es gibt einen Ring und eine Uhr, die auf die Rückgabe warten:
https://digitalcollections.its-arolsen.org/01020903/name/view/192998
Wir drücken die Daumen für die Suche nach den Familien und hoffen, dass wir uns bei der Übergabe der Dokumente und Effekten aus den Arolsen Archives wiedersehen werden!
Organisatoren:
IJBS Oświęcim/Auschwitz/Polen, Arolsen Archives/Deutschland
Koordination:
Elżbieta Pasternak, IJBS Oświęcim/Auschwitz
Anna Meier-Osiński, Arolsen Archives
Elisabeth Schwabauer, Arolsen Archives
Das Projekt wird aus den Mitteln des Deutsch-Polnischen Jugendwerks (DPJW) und des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Programms TRIYOU finanziert sowie vom Förderverein für die IJBS und Verein zur Förderung der IJBS Oświęcim/Auschwitz (FIJA) finanziell unterstützt.